Esch-sur-Alzette und Jean Pütz

Esch sur Alzette, von da an gings bergauf

Zu Esch sur Alzette habe ich eine besondere emotionale Beziehung. Nachdem ich in Luxemburg an der staatlichen Handwerkerschule Luxemburg den Gesellenbrief als Elektromechaniker erhalten hatte, ich unbedingt weiter studieren wollte, fehlte mir das Geld. Also nahm ich für ein Jahr die von der Arbed Belval in Esch angebotene Arbeitsstelle im dortigen Eisenhüttenwerk an. Es war eine echte Maloche, denn der Arbeitsbeginn war schon morgens um 6:00 Uhr, ich musste zunächst täglich in aller Herrgottsfrühe dort hinfahren. denn der öffentliche Nahverkehr war in den 50er Jahren nicht soausgebaut wie heute. Deshalb entwickelte sich die Fahrt zur Himmelfahrt. Zunächst musste ich um 4:00 Uhr von meinem Heimatort Remich an der Mosel, aus der Machergasse 11 in der Unterstadt, mit dem Fahrrad 9 km über den Scheuerberg nach Mondorf les Bains fahren. Dort nahm ich den Bus bis Bettenbourg. Hier bestieg ich einen Bummelzug, der direkt bis in die Hütte hineinfuhr. Ich erinnere mich noch an die speziellen Eisenbahnwagen, jedes 10-Personen-Abteil hatte eine eigene Außentür.

Angekommen ging es zunächst zur Stechuhr, dann zur Umkleide. Die Straßenkleider wurden an Seilen hochgezogen, das für jeden mit einem Schloss versehen war. Sie hingen oben unter der Decke,so dass keiner daran kam. Die Arbeiter waren raue Gesellen, anfangs musste ich mir so einiges anhören, was mir nicht gefiel. Wir reparierten im Team Lokomotiven, Generatoren und Motoren und Walzen, mit denen Blech oder Draht hergestellt wurde. Besonders unangenehm war die Verlegung von elektrischen Leitungen innerhalb der großen Hallen. Mit einer Art Schießapparat wurden Gewindebolzen in die Doppel-T-Träger geschossen, an denen dann die Kabel befestigt wurden.

Die Menge an Feinstaub aus feinsten Eisenpartikeln, die auf mich herunterprasselten, reichten aus fürs ganze Leben. Aber offenbar habe ich das gut überstanden.

Später durfte ich bei einem Freund der Familie, Dr. Erni Jungblut, der in Esch Alzette eine Arztpraxis unterhielt, drei Monate wohnen. Er war ein extrem kultivierter Mensch, der mir diese Welt näher brachte und von der ich heute noch profitiere. Seine Witwe Julie, inzwischen 86 Jahre alt, lebt heute noch in Esch, wir sind immer noch sehr befreundet.

Während der letzten 6 Monate mietete ich mir dann eine sturmfreie Bude, ohne fließendes Wasser mit Porzellankanne und Schüssel zum waschen und der Toilette auf halber Geschosshöhe.

Nach Schichtende, um 14:00 Uhr ging es dann in eine Metzgerei, wo die Arbeiter, die kein Henkelmännchen mit Speise mitgebracht hatten, eine Mahlzeit einnehmen konnten. Favorisierte Speise war Pasta Schuta mit einer großen Portion Gehacktem mit Tomaten Soße.

Noch während der Arbeit in den Pausen kletterte ich dann auf ein Hochregallager, wo ich mir eine Matratze besorgt hatte und lernte z. B. Logarithmen und sonstige Mathematik und Elektrotechnik, weil fest vorhatte, mich in Deutschland an einer staatlichen Ingenieurschule zu bewerben.

Auf mein Bewerbungsschreiben meldete sich die staatliche Nikolaus-August-Otto-Ingenieurschule in Köln und forderte mich auf, eine Aufnahmeprüfung zu absolvieren. Ohne Wissen meiner Eltern, die mich lieber auf der Technikerschule in Luxemburg gesehen hätten, nahm ich mir drei Tage Congé, das heißt Urlaub, und fuhr nach Köln. Mein Optimismus verschwand umgehend, als sich sah, dass sich mit mir etwa 240 junge Menschen eingefunden hatten, um sich auf die wenigen freien Studienplätze in der sogenannten Elektrikerklasse zu bewerben. Die Begabten-Sonderprüfung bestand aus zwei schriftlichen Aufgaben über Themen aus dem Bereich der Elektrotechnik.

14 Tage später erhielt ich das Ergebnis. Wider jegliche Erwartung hatte ich einen der 16 Plätze, die vergeben wurden, ergattert. Es war das 1. Wirkliche Glück meines Lebens, nach dem Motto: Köln, hier komme ich. Drei Jahre später hatte ich mein Ingenieurexamen bestanden und mein Traum war erfüllt. Mein Studium verdiente ich mir übrigens mit den in Mode gekommenen ersten Leuchtstofflampen, die ich als Miniunternehmen (allerdings – man mag mir verzeihen – ohne Gewerbesteuer zu bezahlen) an Wochenenden in Kölner Büros installierte.

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