Ech vill Kölsches in Esch / Reise in die Kulturhauptstadt 2022

Ech vill Kölsches in Esch

von Gerd Kaspar, Vorsitzender der Städtepartnerschaft Esch-sur-Alzette Köln

Köln-Wochenende in Kölner Partnerstadt und Kulturhauptstadt Esch-sur-Alzette

Zwei Kölner Kultbands und eine fast 40-köpfige Reisegruppe aus Köln erlebten vom 22. bis 26.6., dass Köln in der Partnerstadt Esch-sur-Alzette viele Freunde hat. Das Wochenende war von der zweitgrößten Stadt Luxemburgs, die 2022 eine der Kulturhauptstädte Europas ist, zum langen Köln-Wochenende ausgerufen worden. Höhepunkt: ein Open-Air-Festival mit Brings und den Höhnern am Samstag. Zwar haben beide Bands ganz sicher schon vor mehr Zuschauern gespielt, aber sie ließen sich von ihren textsicheren und tanzfreudigen luxemburgischen Fans, viele davon in FC-Trikots, begeistert feiern. Zwar trieb ein Wolkenbruch am Ende die Höhner von der Bühne und die Zuschauer in den VIP-Pavillon des Konzertgeländes, aber dafür klang es dort schon nach wenigen Minuten wie auf der Südtribüne beim FC-Heimspiel.

Brings und die Höhner live in Esch

 

Eingeläutet wurden die Kölner Tage bereits mittwochs. Am Anfang der vom Förderverein der Städtepartnerschaft Köln – Esch-sur-Alzette organisierten Bürgerreise stand die Teilnahme am Empfang des Escher Bürgermeisters Georges Mischo für den Thronfolger Erbgroßherzog Guillaume und dessen Frau Stéphanie im Rathaus von Esch anlässlich des Luxemburger Nationalfeiertages. Geleitet wurde die Kölner Delegation aus Vertreterinnen und Vertretern der Kölner Städtepartnerschaftsvereine Esch, Lille, Lüttich und Turin sowie dem stellvertretenden Vorsitzenden von Cologne Alliance Fritz Schröder-Senker, vom Köln-Esch-Vorsitzenden Gerd
Kaspar, der während seiner Kindheit selbst 10 Jahre lang in Luxemburg gelebt hat. So konnte er das persönliche Gespräch mit dem künftigen Staatsoberhaupt zu dessen freudiger Überraschung in Landessprache auf Luxemburgisch führen. Aus erster Hand erfuhr er dabei, dass sich der Erbgroßherzog und seine Frau in Köln kennengelernt haben. Und tatsächlich ist es der 11.11., an dem Prinz Guillaume alljährlich seinen Geburtstag feiert!

Links Eschs Bürgermeister Georges Mischo,
rechts das erbgroßherzogliche Paar Gulliaume und Stéphanie,
in der Mitte Vorsitzender Gerd Kaspar mit Ehefrau Christa Schulte
Und weil die Royals in Luxemburg die gleiche Rolle spielen wie ihre nahen und entfernten Verwandten in den Niederlanden, Belgien oder Spanien, so wird auch in Esch vom Balkon aus das Volk auf dem Rathausplatz gegrüßt. Dort feiern mittlerweile Tausende Gäste ein munteres Volksfest – mittendrin der Köln-Escher Partnerschaftsverein mit seinem Kölner Infostand. Und ja, in Luxemburg gibt es auch noch Feuerwerk! In Esch zündet der Funke spät am Abend gegen elf Uhr.

Volksfest auf dem Rathausplatz

Vorstandsmitglied Stephan Wieneritsch am Köln-Stand

mit dem Beigeordneten von Esch, Christian Weis und seiner Frau

 

 

Großes Feuerwerk zum Luxemburger Nationalfeiertag

 

Am folgenden Luxemburger Nationalfeiertag besichtigte unsere Reisegruppe vormittags das erst
kürzlich wiedereröffnete Nationalmuseum des Widerstandes und der Menschenrechte.


Musée National de la Résistance et des Droits Humains in Esch-sur-Alzette

 

Bevor im kommenden Frühjahr die Dauerausstellung eröffnet wird, finden im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres Esch 2022 wechselnde Ausstellungen statt, so wie aktuell noch bis zum 14. August 2022 die IDÉE DE PAIX: Holzschnitte und Tuschezeichnungen des belgischen Expressionisten Frans Masereel (1889 bis 1972). Als überzeugter Pazifist und Zeitzeuge der beiden Weltkriege zeigt er die Folgen von Krieg, Unterdrückung, Zerstörung und
Tod. Angesichts des Konflikts in der Ukraine – und vieler anderer – gewinnen seine Werke, die zum Frieden und zum Respekt der Menschenrechte aufrufen, eine erschreckende Aktualität. Unter anderem ist auch eine beeindruckende Multimediaanwendung erlebbar, in der Besucher Masereels Werk interaktiv begehen können.

Interaktive Inszenierung des Masereel-Werks

 

Auch zum musikalischen Rahmen auf der Bühne des Rathausplatzes leisteten Kölner ihren Beitrag zum Nationalfeiertag mit den Auftritten der Bernd Delbrügge Band sowie Kozmic Blue, wobei es Kozmic Blue ebenso erging wie wenige Tage später den Höhnern: Ein heftiger Platzregen setzte ihrem Konzert ein jähes Ende. Am Nachmittag wären zu gerne auch die Lucky Kids, der Kinder- und Jugendchor der Rheinischen Musikschule aufgetreten. Doch deren Auftritt ist leider gänzlich ins Wasser gefallen, da am Morgen ihr „Tourbus“ in Köln nicht aufgetaucht war.

Bernd Delbrügge und seine Band aus Köln

auf dem Rathausplatz in Esch-sur-Alzette

 

Pünktlich zur Stelle war hingegen der Bus, der uns am nächsten Morgen von Esch ins Europa-Viertel der Stadt Luxemburg auf den Kirchberg fuhr. Der Europäische Gerichtshof hat hier seinen Sitz, auch das Europäische Parlament ist hier vertreten, die Europäische Schule und eben auch die Europäische Investitionsbank EIB, das heutige Reiseziel. Sie ist das größte multilaterale Finanzierungsinstitut der Welt – doppelt so groß wie die Weltbank. Im Jahr 2020
unterzeichnete die Europäische Investitionsbank-Gruppe Finanzierungen von 94,89 Milliarden Euro. 86,74 Milliarden Euro flossen in Projekte in der EU, 8,14 Milliarden Euro in Projekte in anderen Regionen weltweit. Dies ermöglichte Investitionen von 360 Milliarden Euro, wobei 43 Prozent der EIB-Mittel grüne Projekte förderten (Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit).

Die EIB in Luxemburg-Kirchberg öffnet ihre Pforten

 

Traditionell ist der Freitag nach dem Nationalfeiertag in Luxemburg als Brückentag arbeitsfrei, doch die EIB hatte in Person ihres Präsidenten Dr. Werner Hoyer, zudem ein Kölner und Mitglied unseres Städtepartnerschaftsvereins, eigens für unsere Bürgerreise ihre Pforten geöffnet. Gemeinsam mit dem Direktor des Generalsekretariats Frank Schuster und
Felicitas Riedl, Leiterin des Life Science Departments empfing er uns in „seinem“ Haus und gab
tiefe Einblicke in Aufgaben und Arbeitsweise der Bank. Ein typisches und zugleich hochaktuelles Beispiel präsentierte Felicitas Riedl nicht ohne Stolz. Es waren Experten aus der EIB, die ein gewisses Unternehmen namens BioNTech mit seiner mRNA-Technik schon deutlich vor der Pandemie „auf dem Radar“ hatten und sogleich investierten, als es um die Finanzierung der Impfstoffentwicklung gegen das Corona-Virus ging – lange bevor die damalige Bundesregierung von dem deutschen Unternehmen überhaupt wusste.

 

EIB-Präsident Dr. Werner Hoyer

 

Nach einem Mittagsimbiss und einer kurzen, in ganz Luxemburg übrigens kostenlosen, Straßenbahnfahrt wurde es dann historisch – auf einer ebenso interessanten wie unterhaltsame Führung durch die Altstadt. An ausgewählten Stopps erfuhren wir, dass das Rathaus 1830 aus den Steinen eines Franziskanerklosters errichtet wurde, warum der Löwe im luxemburgischen Wappen rot ist, wer das Land von den Habsburgern, Valonen, Bourbonen bis zu den Oranien-Nassauern beherrschte, wie es zu den maurischen Ornamenten und der codierten Inschrift unter dem Balkon des großherzoglichen Palais kam, dass Goethe eine Oktoberwoche im Jahre
1792 hier verbrachte, in einem hübschen Zimmer, „das aus dem engsten Höfchen, wie aus einer
Feueresse, doch bei sehr hohen Fenstern genugsames Licht erhielt.“ – und wo man Lea Linsters
verführerisch leckere Madeleines kaufen kann.

Sehenswert: Luxemburgs Straßenbahn, Goethes 

Innenhof und Großherzogs Palais

So richtig kulinarisch wurde es dann am Abend im Escher Top-Restaurant Postkutsch. Im stilvollen Art-Déco-Ambiente wurde uns ein erstklassiges französisches 5-Gang-Menu serviert, begleitet von jeweils passenden, exzellenten Weinen. Vom ersten Schluck bis zum letzten Bissen ein echter Hochgenuss, dessen überaus würdiger Abschluss ein Käsebuffet mit nicht weniger als 70 Käsen bildete.

A table in der Postkutsch

 

Tag 4 begann mit einer kurzen Zugfahrt vom Escher Bahnhof zur nächsten Station, dem Bahnhof des Escher Stadtteils Belval. Das Stahlwerk, das einst auf dem 120 Hektar großen Gelände „Belval-West“ stand, wurde 1997 stillgelegt. Seit 2001 entsteht hier ein neues Stadtviertel, in dessen Entwicklung der Staat 1,9 Milliarden Euro investiert. Esch-Belval ist damit eines der größten Städtebauprojekte Europas. Auf Basis eines Masterplans wird nunmehr seit 20 Jahren eine Mischung aus Wohnen und Einzelhandel, Forschung und Lehre, Arbeit und Freizeit
in einem modernen Umfeld realisiert.

Der Stadtteil Belval im Modell

 

 

Wir konnten das gesamte Projekt zunächst in einem Vortrag kennenlernen und bei der anschließenden Führung durch das Areal ausgiebig erkunden. Immer wieder ergaben sich dabei faszinierende Perspektiven zwischen den technischen Baukörpern der ehemaligen Schwerindustrie, modernsten Fassaden und großzügig angelegten Wasserflächen zur Klimatisierung des Geländes. Nicht minder faszinierend ist, dass die Realisierung des neuen Belval seit nunmehr sage und schreibe 20 Jahren voll im Zeit- und Budgetrahmen ist. Und spätestens bei dieser Erkenntnis kommt man als Kölner Besucher an einem Ort wie Belval ins Grübeln. Denn auch, wenn auf Kölner Boden niemals ein Stahlwerk stand, so gibt es doch zahlreiche große, ehemalige Industrieflächen in der Stadt, für die eine Entwicklung wie Belval ein leuchtendes Beispiel sein könnte!

Der alte Hochofen und die neue Bibliothek

 

 

Man stelle sich einmal vor, Köln hätte nicht nur Hätz un Siel, wie am Abend dieses Samstags von Brings und Höhnern so gefühlsstark besungen, sondern auch aufregende, neue Quartiere im Stil von Belval. Ein Anfang wäre gemacht, wenn nach dieser Bürgerreise des Partnerschaftsvereins auch einmal die Kölner Stadtspitze mit dem entsprechenden Fachpersonal den Weg ins nahe Esch-sur-Alzette fände. Uns jedenfalls war diese Bürgerreise ein Fest! Unser ganz besonderer Dank geht an Jacques Müller, Leiter des Escher Syndicat d’Initiative, der uns vor und während der Reise so großartig unterstützt hat.

Merci Jacques, merci Esch!

 

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